Otto Imsand über die Rückkehr nach Naters:
«Es fühlte sich an, wie heimkommen»

Otto Imsand in der Woche vor der Abreise mit Geschenken seiner Schüler und einem Leibchen seiner Lieblings-Fussballmannschaft Alianza Lima.
Foto: zvg

Seit wenigen Wochen ist er wieder in seiner alten Heimat Naters wohnhaft.
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Insgesamt 17 Jahre lebte Otto Imsand mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in der peruanischen Hauptstadt Lima. Vor wenigen Wochen ist der Natischer zurückgekehrt und hat sich mit 1815.ch getroffen: Ein Gespräch über Heimat, Fernweh und darüber, was er im Nachhinein anders gemacht hätte.
1815.ch: Otto Imsand, wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren wieder zurück im Wallis zu sein?
Otto Imsand: Den Kontakt zum Wallis habe ich nie ganz verloren, wir kamen ja alle zwei Jahre zurück. Aber es ist halt schon etwas anderes, ob man hier Ferien macht oder hier wohnt und arbeitet. Im Moment sind wir noch in der Eingewöhnungsphase. Aber wir sind zufrieden hier und ich freue mich schon auf alles, was noch passieren wird.
Was haben Sie als erstes getan, als Sie wieder in Naters waren?
Wir kamen um Mitternacht hier an, gingen in unsere Wohnung und liefen dann durchs alte Dorf. Auf diesem Rundgang kamen schon nostalgische Gefühle auf. Auch nach all den Jahren fühlte es sich irgendwie an, wie heimkommen.
War es für Sie also sofort klar, zurück in die Schweiz und nach Naters zu kommen oder waren auch andere Länder im Gespräch?
Es stand nie zur Debatte in einen andern Kanton zu gehen. Ich weiss aber natürlich nicht, wie lange wir nun hier bleiben, sicher mal ein paar Jahre. Aber ob ich auch noch die nächsten zehn oder fünfzehn Jahre hier bleibe, das kann ich wirklich noch nicht sagen. Wenn wir nochmal wegziehen, dann (fast) sicher in ein europäisches Land.
War der Umzug von Lima nach Naters kompliziert?
Es war nicht kompliziert, es war «uhüeru» kompliziert. Ich weiss nicht, wie viele Stunden ich in Büros verbracht habe. In einem Dokument hiess ich zum Beispiel Otto Imsand, im anderen Imsand Otto. Das war ein riesen Problem. Vom Papierkram her war die letzte Zeit sehr unangenehm, das möchte ich nicht nochmals erleben.
In einem Ihrer Peru-Berichte haben Sie geschrieben, dass man erst im Ausland merke, wie eng die Schweiz sei, dass aber auch die Sehnsucht nach der Heimat grösser werde, je länger man fort sei. War diese Sehnsucht der Grund, weshalb Sie zurückgekehrt sind?
Ich habe irgendwie gemerkt, dass es nach diesen ganzen Jahren eine gewisse Abnützung gegeben hat – zwischen dem Leben in Peru und uns. Es ist schwierig zu erklären, aber Sachen, die hier alltäglich sind, sind da unten schon fast ein Kampf, zum Beispiel der Autoverkehr oder alles, was mit Bürokratie zu tun hat.
Es ist zudem gar nicht so einfach Freunde zu finden, wenn man in der Fremde lebt, das hat vielleicht auch noch mitgespielt. Lima ist eine grosse Stadt, zehn Millionen Einwohner, und im Prinzip hat da jeder sein Leben. Es hat mir aber wahnsinnig gut gefallen, ich möchte die Zeit nicht missen. Es war sehr schön, aber das ist es hier halt auch.
Das Leben hier ist einfacher: Vieles kann man per Telefon oder Mail erledigen. In Peru muss man fast überall persönlich hingehen, wenn man will, dass es wirklich funktioniert. Was mich auch sehr freut: In den letzten Jahren habe ich hier keinen verärgert. Jetzt fange ich wieder damit an. (lacht)
In der kurzen Zeit hier ist mir aufgefallen, dass es nicht das gleiche ist, ob man als Fremder in einem Land wie Peru oder in der Schweiz lebt. In Peru wird erwartet, dass man sich dem Gastland anpasst. Hier nimmt man mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der ausländischen Bevölkerung, finde ich.
Ein Beispiel: Meine Söhne konnten anfangs kein Wort Spanisch. Aber das war ihr Problem, nicht das der Schule oder von sonst irgendwem. Entweder sie lernten Spanisch oder sie hatten in den betreffenden Fächern nach einer kurzen Einführungszeit schlechte Noten. Oder als meine Frau und ich das Permis machten, ging das auf Spanisch – oder gar nicht.
War Ihre Familie mit den Umzugsplänen sofort einverstanden?
Schon als wir gegangen sind, haben wir abgemacht, dass wir zurückkommen, sobald meine Söhne die obligatorische Schulzeit absolviert haben, damit sie die weitere Ausbildung hier machen können. Das System ist mit Studieren und Berufslehre einfach viel besser.
Für Claudia, meine Frau, war es auch in Ordnung, denn jetzt waren wir wirklich ein Weilchen weg. Und man ist hier halt trotzdem noch vernetzt und verwurzelt.
Ihre Söhne haben den grössten Teil ihres Lebens in Peru verbracht. Hatten sie Mühe, sich hier einzuleben?
Hier kommt ihnen einfach alles sehr klein vor. Wir sind es auch nicht mehr gewohnt, dass die Geschäfte abends alle geschlossen sind. In Peru sind viele Geschäfte 24 Stunden am Tag offen, auch am Samstag und Sonntag. Nicht zu vergessen das Freizeitangebot: In Lima gibts über hundert Kinos, unzählige Discos, an jedem Wochenende werden zig Partys organisiert usw.
Das Argument mit der Ausbildung hat sie schon überzeugt, aber es ist für meine Frau und mich natürlich viel einfacher, auch, weil die beiden hier niemanden von früher kennen. Es ist nicht so einfach, hier Fuss zu fassen, wenn man das Leben in einer Stadt mit zehn Millionen Einwohnern gewohnt ist. Negativ eingestellt waren sie aber nie und das ist das Wichtigste.
Haben Sie sich in all den Jahren verändert?
Beim Autofahren konnte ich das an mir beobachten: Ich bin kein aggressiver Fahrer, aber in Peru gehts einfach nicht, wenn man zu defensiv ist. Manchmal habe ich mich über mich selbst aufgeregt.
Auf typische Schweizer Tugenden, wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, lege ich immer noch Wert. Als Schweizer ist man angesehen, das habe ich oft gemerkt. Die Schweizer haben im Ausland ein besseres Image, als in der Schweiz selbst.
Ich werde nicht mehr so schnell nervös, wenn mal etwas nicht geht. Sicher wird man auch toleranter: Ob ich einen Schwarzen oder Chinesen vor mir habe, fällt mir nicht mehr auf. In der Schule hatten wir Menschen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt. Oft waren wir sogar an Orten, an denen wir fast die einzigen Weissen waren, dann waren wir diejenigen, die aufgefallen sind.
Gibt es etwas, dass Sie im Nachhinein anders machen würden?
Schwierige Frage ... Vielleicht das: Zum ersten Mal sind wir 1989 nach Peru gegangen und 1994 zurückgekommen. Das war eigentlich ein Missverständnis im Nachhinein. Ich habe zu meiner Frau Claudia gesagt, ob wir nicht für immer da bleiben wollen. Sie hat dann gemeint, das wolle sie nicht. Hätte ich aber gefragt, ob wir noch fünf, sechs Jahre bleiben wollen, wäre sie einverstanden gewesen. 2001 sind wir erneut nach Lima gezogen.
Es ist gar nicht so einfach, einen Haushalt zweimal aufzulösen und wieder neu aufzubauen. Im Nachhinein hätten wir besser einen langen Block Peru gemacht anstatt zwei. Von der Dauer her war der Peru-Aufenthalt ok.
Ansonsten war es gut so. Ich bin froh, diesen Schritt gemacht zu haben, weil es einem den Horizont erweitert. Ich bin jetzt viel zufriedener und schätze die Annehmlichkeiten eines Landes wie der Schweiz mehr als früher, als alles selbstverständlich war.
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