Wirtschaft | Lonza prüft alternative Transportwege via Simplonlinie
«Totalverbot von Chlortransporten auf der Genferseeroute wohl nicht möglich»

Chlortransporter gelangen über Genf in die Schweiz und passieren zahlreiche Schweizer Städte (Symbolbild).
Foto: Keystone
Im Frühling will das Bundesamt für Umwelt Massnahmen kommunizieren, welche die Transporte von Chlor auf der Bahn angehen. Betroffen sind auch die Lonza-Werke in Visp.
Von Frankreich herkommend, werden jährlich etwa 350 Kesselwagen zu jeweils rund 60 Tonnen Chlor auf der Bahn über die Genferseeroute zu den Chemiewerken in Monthey und Visp geführt. Dagegen formiert sich in der Westschweiz zunehmend Widerstand. Erst am Montag dieser Woche wandten sich die drei Waadtländer Gemeinden Lausanne, Prilly und Renens mit der Forderung eines Verbots solcher Transporte ans Eidgenössische Verkehrsdepartement.
Petition abgelehnt - Standesinitiative hängig
Bereits Anfang 2015 verlangten die Grünen der Kantone Wallis, Waadt und Genf in einer Petition ans Eidgenössische Parlament ein Stopp der Chlor-Transporte, um die Bevölkerung zu schützen und den Wohnungsbau entlang der Zuglinien zu ermöglichen. Die Grossverbraucher sollten verplichtet werden, das von ihnen benötigte Chlor selbst zu produzieren. Die vorberatende Kommission des Nationalrats unter deren Präsidentin Viola Amherd lehnte diese im September 2015 jedoch mit 13 zu acht Stimmen bei zwei Enthaltungen ab.
Gleichzeitig ist eine Standesinitiative des Kantons Genf vom Februar 2015 hängig, die sich in der Stossrichtung mit der Petition der Grünen deckt. Die vorberatende Kommission unter deren damaligem Präsidenten René Imoberdorf hat Vertreter des Kantons Genf zur Standesinitiative im November 2015 angehört. Die Kommission hat in der Folge beschlossen, ihren Entscheid, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht oder nicht, erst in Kenntnis der Resultate der Arbeitsgruppe des Bundes zu fällen, liess die Kommission im November in einer Pressemitteilung verlauten.
Sicherer Schienentransport
Auf dem Schweizer Schienennetz werden zurzeit jährlich über 170 Millionen Zugskilometer geleistet und insgesamt rund 10 Millionen Tonnen gefährliche Güter transportiert. In der Vergangenheit haben sich in der Schweiz nur wenige Unfälle mit Gefahrengütern ereignet. Nach drei Unfällen im Jahr 1994 kam es erst im 2015 in Daillens wieder zu einem Zwischenfall mit Gefahrengütern. Glücklicherweise resultierten in keinem dieser Unfälle schwerwiegende Umwelt- oder Personenschäden. Zudem waren nie Chlorgastransporte involviert.
Trotzdem beschäftigt sich seit Anfang 2015 ein Projektgruppe unter der Federführung des Bundes mit den Chlortransporten auf der Genferseeroute. Die Abschätzung künftiger Entwicklungen hatte gezeigt, dass sich die Rahmenbedingungen ändern, insbesondere im Hinblick auf die steigende Bevölkerungsdichte entlang der Bahnstrecken. In der Arbeitsgruppe vertreten sind die am Transport beteiligten Organisationen sowie die betroffenen Kantone Genf, Waadt und Wallis.
BAFU-Entscheid in Kürze erwartet
Die Arbeitsgruppe steht unter der Leitung von Daniel Bonomi. Er befasst sich als Fachmann für Störfallvorsorge im BAFU intensiv mit Chlortransporten. Im gemeinsamen Projekt wurden im Verlaufe des letzten Jahres drei Lösungsvorschläge untersucht: Raumplanerische und bauliche Massnahmen zum besseren Schutz betroffener Gebiete oder Bauten entlang der Routen; Beschränkung und Steuerung der Chlortransporte oder weitere Verbesserungen an den Bahnkesselwagen; Produktion des Chlors am Ort des Verbrauchs oder Beschaffung über andere Transportwege. Sie stellte Massnahmen auf Anfang 2016 in Aussicht.
Den Standpunkt der Lonza-Werke in Visp als Endbezüger des Chlors macht Dominik Werner, Lonza-Mediensprecher, deutlich: «Beim Untersuchen von Alternativen sind vor allem drei Punkte zentral: Die Alternative muss die Personensicherheit und den Schutz der Umwelt durch ein angemessenes Risikomanagement gewährleisten. Die Chlorversorgung für die chemische Industrie im Wallis muss gesichert und zu den bestmöglichen wirtschaftlichen Bedingungen im Sinne einer Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts möglich sein.»
Eigenproduktion keine Option für Lonza
Daniel Bonomi konnte sich auf Anfrage des «Walliser Boten» am Dienstag nicht konkret über das Massnahmenpaket äussern, das zur Zeit im Rahmen des Projektes geschnürt wird und dann von der Projektleitung genehmigt werden muss. «Über den Beschluss wird voraussichtlich im Frühling informiert werden.» Immerhin lässt er durchblicken, dass ein Totalverbot aus rechtlichen Gründen wohl nicht möglich wäre. Die vorberatende Nationalratskommission habe sich in diesem Sinn ausgesprochen.
«Das Paket wird aus all den untersuchten Massnahmen geschnürt, welche auch Möglichkeiten zur Beschränkung der Transporte ins Wallis über die Genferseeroute sowie Beschaffungen über andere Transportwege umfassen.» Aus Sicht der Lonza-Werke in Visp wäre damit die von den Grünen geforderte, mit grossen Mehrkosten verbundene Produktion am Ort des Verbrauchs, also in Visp, vorerst abgewendet.
Ausweichen auf die Simplonroute
Die Lonza Visp bezieht Chlor von Lieferanten im grenznahen Ausland, grössenteils aus Frankreich und Deutschland. «Die Genferseeroute mit Ausgangspunkt Lyon ist nach wie vor die wichtigste Route für das Werk Visp», so Werner. Werden die Anzahl Lieferungen von Frankreich her beschränkt, wie es Bonomi andeutet, muss Visp seinen Bedarf über andere Transportwege abdecken. In Anbetracht des Widerstands in der Romandie wohl kaum in Frage kommt ein Transport von Basel her quer durch die Schweiz. Kommt also nur das grenznahe Italien als Ausweichroute in Frage. «In den grundsätzlichen Abklärungen von Alternativen spielt auch die Simplonroute von Italien her eine Rolle», bestätigt Werner.
Chlortransporte auf der Strasse?
Ebenfalls kein Thema ist laut Daniel Bonomi ein Ausweichen auf die Strasse. «Der Transport grosser Mengen Chlor findet nur auf der Schiene statt, da der Strassenverkehr unfallträchtiger ist und deshalb gesetzlich auf kleine Behälter beschränkt wurde.» Bei den Lonza-Werken in Visp wird die Verlagerung auf die Strasse erst gar nicht nicht in Betracht gezogen, sagt Werner.
zen
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Kommentare
AM - ↑3↓1
Seppi, Sie haben recht. Das gleiche geschah mit der Blausäure welches auch im Werk Visp hergestellt werden muss. Das ist eine Preisfrage. Chlor wird in massen hergestellt und es ist fraglich ob man dieses Zeugs in Visp vernünftig herstellen lässt.
Für einige gäbe diese Kocherei sicher Arbeit.
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Seppi - ↑8↓0
Wenn ich in einem Satz lese: "verlangten die Grünen der Kantone Wallis, Waadt" und Genf" und "den Wohnungsbau entlang der Zuglinien zu ermöglichen" frage ich mich dann schon wie Grün die Grünen noch sind...
Ob man will oder nicht, Chemie ist heute ein grundlegender Baustein im täglichen Leben. Wer Güter des täglichen Gebrauchs kauft, welche mit/durch Chemie produziert wurden (und das ist JEDER) ,muss endlich auch die Verantwortung übernehmen für die Produktion die dafür halt notwendig ist.
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