Darbellay: Vorlage im Interesse der Automobilisten
Unheilige Allianz stellt sich gegen die 100-Franken-Vignette
Für die einen ist es ein moderater Aufschlag, für die anderen staatliche Abzockerei: Statt 40 Franken soll die Autobahnvignette künftig 100 Franken kosten. Gegen die Preiserhöhung, über die am 24. November abgestimmt wird, wehren sich neben Autoverbänden und SVP-Vertretern auch die Grünen - allerdings aus anderen Gründen.
Von einem «Aufstand der Auto- und Motorradfahrer» sprach SVP-Nationalrat Walter Wobmann (SO) bei der Übergabe der Unterschriften für das Referendum gegen die Vignettenpreiserhöhung.
Das Komitee um Wobmann und SVP-Nationalrätin Nadja Pieren (BE) hatte mehr als doppelt so viele Unterschriften wie nötig gesammelt.
Auch den Befürwortern ist klar, dass Preiserhöhungen selten auf Begeisterung stossen. Die Vorlage sei aber zu 100 Prozent im Interesse der Automobilisten, sagt CVP-Präsident Christophe Darbellay vom bürgerlichen Ja-Komitee. Der Aufschlag um 60 Franken ist aus Sicht der Befürworter moderat, entspreche er doch lediglich einer Tankfüllung pro Jahr.
Kantone sehen Ausbauprojekte gefährdet
Zudem sei die Preiserhöhung nötig: Denn der Bund brauche Geld für den Unterhalt der knapp 400 Kilometer Strassen, die er von den Kantonen übernehmen will. Das Parlament hat dem sogenannten Netzbeschluss bereits zugestimmt, allerdings ist dieser an die Preiserhöhung bei der Vignette geknüpft - erteilt das Volk dieser eine Abfuhr, tritt der Netzbeschluss nicht in Kraft.
Die Kantone warnten bereits, bei einer Ablehnung könnten «zahlreiche dringende Ausbauprojekte» nicht realisiert werden. Bei einem Ja werde die Bevölkerung hingegen von besseren Verkehrsverbindungen profitieren und durch Ortsumfahrungen vom Lärm entlastet, verspricht die Konferenz der Kantonsregierungen (KDK). Die Kantone sind selbst Nutzniesser der Vorlage: Der Netzbeschluss bringt ihnen eine finanzielle Entlastung.
Alte Wunden aufgerissen
Geschröpft würden dafür die Autofahrer, kritisieren die Gegner, unter ihnen die Autoverbände TCS und ACS. Eine teurere Vignette bringe den Strassenbenützern kaum einen Mehrwert. Nur «drei kurze Abschnitte» würden gebaut: die Umfahrungen von Le Locle NE, La Chaux-de-Fonds NE und Näfels GL.
Bei der Autolobby reisst die Vorlage alte Wunden auf: Sie stören sich seit langem daran, dass ein Teil der Abgaben und Steuern aus dem Strassenverkehr in die allgemeine Bundeskasse und in den öffentlichen Verkehr fliesst.
Das Geld, das dank der Preiserhöhung der Vignette eingenommen wird, soll zwar ausschliesslich die Strassenkasse füllen. Dennoch finden die Gegner, es sei «schlicht verantwortungslos», die Strassenbenutzer erneut zur Kasse zu bitten. Schliesslich sei eigentlich genug Geld vorhanden, nur würden zwei Drittel «zweckentfremdet».
Mit einem Nein zur teureren Vignette wollen die Autoverbände auch politischen Druck aufsetzen für die Schaffung eines Strassenfonds. Bundesrätin Doris Leuthard hat einen solchen Fonds bereits angekündigt, die vorgeschlagene Ausgestaltung passt der Strassenlobby jedoch nicht.
Grüne fürchten Bau neuer Autobahnen
Unterstützung im Kampf gegen die teurere Vignette erhalten die Autoverbände ausgerechnet von ökologischer Seite. Grüne, Grünliberale und der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) haben sich auf die Seite der Gegner geschlagen - wenn auch aus anderen Gründen: Sie befürchten, dass mit dem zusätzlichen Geld neue Autobahnen finanziert werden.
Allerdings sind vereinzelt auch Grüne im linken Ja-Komitee vertreten. Die Preiserhöhung sei nicht nur fair, sondern auch ökologisch, sagt etwa der Grüne Basler Regierungspräsident Guy Morin. Die Basis der Grünen will laut der ersten SRG-Umfrage mehrheitlich für die Preiserhöhung stimmen.
Auch insgesamt dürfte laut der Umfrage ein Ja resultieren: 53 Prozent der befragten Stimmberechtigten sprachen sich dafür aus, 41 Prozent dagegen. Die Autofahrer müssten aber nicht sofort tiefer in die Tasche greifen - der Vignettenpreis wird erst erhöht, wenn die Reserven der Strassenkasse unter eine Milliarde Franken sinken. Dies ist voraussichtlich Anfang 2016 der Fall.
Debatte geht in die nächste Runde
Sicher ist: Auch nach der Abstimmung dürfte die Diskussion darüber weitergehen, wie stark Autofahrer zur Kasse gebeten werden sollen. Mit der angekündigten Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags sei schon die nächste «Abzocker-Runde zulasten der Strasse» eingeläutet worden, warnt der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG.
Zudem läuft derzeit die Unterschriftensammlung für die sogenannte Milchkuh-Initiative («Für eine faire Verkehrsfinanzierung»). Diese fordert, dass Steuern, Gebühren und Abgaben der Autofahrer künftig vollumfänglich der Strasse zugute kommen sollen.
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