Region | Steigende Kosten machen zu schaffen

Der Teufelskreis mit den Krankenkassen-Prämien

Über 400 Sodalis-Versicherte vermögen die Krankenkassen-Prämien nicht mehr zu bezahlen, wie 
Geschäftsführer Robert Kalbermatten weiss.
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Über 400 Sodalis-Versicherte vermögen die Krankenkassen-Prämien nicht mehr zu bezahlen, wie 
Geschäftsführer Robert Kalbermatten weiss.
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Dem Mittelstand machen die steigenden Krankenkassen-Prämien mehr und mehr zu schaffen. Am meisten leiden aber alle Krankenversicherten, die jetzt schon mit dem Existenzminimum auskommen müssen.

Namen mag Robert Kalbermatten, Geschäftsführer der Krankenkasse Sodalis, keine nennen. Aber anonym berichtet er aus seinem näheren Bekanntenkreis: «Arbeitsunfähig durch Krankheit, daraufhin die Stelle verloren. Die Abklärungen, um eine IV-Rente zu bekommen, dauerten mehr als zwei Jahre, und so war das Einkommen schliesslich weg, weil es weder Taggeld noch Stempelgeld noch IV gab.» Extremfälle wie diese seien zwar selten; bei rund 40 000 Sodalis-Versicherten pro Jahr vielleicht gerade mal zwei. Bei nur etwas mehr als einem Prozent der Versicherten, die ihre Prämien gar nicht mehr bezahlen können, klingt selbst diese Zahl nach wenig – für die über 400 Betroffenen allein bei der Sodalis ist das aber ein schwacher Trost. Zumal nächstes Jahr die Prämien erneut um rund vier Prozent teurer werden dürften, wie der Internet-Vergleichsdienst Comparis kürzlich verbreiten liess.

Individuelle Prämienverbilligung

Dem Kanton Wallis hält Kalbermatten zwar zugute, dass er für die Individuelle Prämienverbilligung (IPV) an Personen mit geringem Einkommen mehr Geld aufwende als andere Kantone. An die Sodalis habe der Kanton zugunsten von etwa 5400 Personen zwölf Millionen Franken bezahlt. Bei der CSS Gruppe teilt Mediensprecher Luc-Etienne Fauquex mit, dass jeder fünfte Versicherte eine Prämienverbilligung erhalte. Das sind rund 34 Millionen Franken. Insgesamt hat der Kanton dieses Jahr rund 180 Millionen Franken für die IPV budgetiert. Fast wieder so viel wie in den Rekordjahren 2011 und 2014 – obschon die Subventionen an die einzelnen Empfänger deutlich tiefer geworden sind. Wurden 2014 etwa noch bis zu 80 Prozent der Krankenkassenprämien subventioniert, sind es heute noch 68 Prozent, obschon die Prämien in diesem Zeitrahmen um 30 Prozent gestiegen sind. Wenn aber selbst die IPV nicht mehr genügt und wenn auch mit Schuldbetreibung und Lohnpfändung kein Geld mehr zu holen ist, zahlt der Kanton den Krankenkassen 85 Prozent der fälligen Verlustscheine. Laut der Dienststelle für Gesundheitswesen haben sich die Kosten für die Verlustscheine innert fünf Jahren von 9,8 auf 18,8 Millionen Franken fast verdoppelt.

Trügerisches Sparpotenzial

«Viele Versicherte geraten in einen regelrechten Teufelskreis», warnt Kalbermatten. Manche versuchen etwa, die Prämien tief zu halten, indem sie die Franchise vom Minimalbetrag von 300 Franken auf 2500 Franken erhöhen. Für knappe Budgets oft die falsche Lösung, selbst wenn die monatliche Prämie fast die Hälfte weniger kostet. Der Grund: Im Krankheitsfall vermögen viele die höhere Franchise nicht zu bezahlen. Wieder andere sehen Sparpotenzial bei Zusatzversicherungen – dann werden aber womöglich Rettungs- und Bergungskosten per Ambulanz oder Helikopter nur noch zur Hälfte bezahlt. Luc-Etienne Fauquex verweist auf Sparpotenzial von mindestens neun Prozent bei einem Wechsel zu einem alternativen Versicherungsmodell, etwa einer Hausarztversicherung oder einem telemedizinischen Modell. Letzteres hat jedoch zur Konsequenz, dass Versicherte erst telefonisch um Erlaubnis bitten müssen, bevor sie einen Arzt aufsuchen. «Falls Berufstätige mindestens acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber arbeiten, sind sie ausserdem gegen Unfälle versichert und können weitere sieben Prozent sparen», rät Fauquex.

Wer arbeitet, verliert

Beim Gang zum Sozialamt oder auch für
AHV- und IV-Bezüger mit Ergänzungsleistungen könnten die Prämien sogar zu 100 Prozent von der kantonalen Ausgleichskasse übernommen werden. Wer das Sozialamt jedoch scheut, erhält grundsätzlich noch 68 Prozent Subventionen, selbst wenn das Einkommen kaum fürs Existenzminimum reicht. Bei der Dienststelle für Gesundheitswesen weiss man um dieses Problem. «Um die Schwellenwirkung des Typs ‹Wer arbeitet, verliert› zu
begrenzen, kann eine Person, die über dem Sozialhilfestandard liegt, durch die Zahlung von Krankenkassenprämien und Steuern aber unter das Existenzminimum fällt, trotzdem Anspruch auf eine Subvention von 100 Prozent haben», sagt Dienstchef Victor Fournier. Unter dem Strich muss trotzdem etwa ein Prozent der Bevölkerung den Gürtel so eng schnallen, dass sie selbst auf notwendige Arztbesuche verzichten, um nicht noch auf dem Selbstbehalt oder der Franchise sitzen zu bleiben – was wiederum kontraproduktiv, wenn nicht sogar gefährlich sein könnte, wie die Krankenkassen warnen.

Christian Zufferey

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