Bergsteigen | Zermatt

Die Wahrheit über Edward Whymper

Ein Teil des Seils der Matterhon-Erstbesteigung ist im Zermatter Museum zu bestaunen.
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Ein Teil des Seils der Matterhon-Erstbesteigung ist im Zermatter Museum zu bestaunen.
Foto: RZ

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Um die Erstbesteigung des Matterhorns ranken sich viele Geschichten. Mittendrin Edward Whymper. Über seine damalige Rolle wird bis heute kontrovers diskutiert. Wer war er wirklich?

Der 1840 geborene, aus London stammende Edward Whymper war ein ausgezeichneter Maler und Zeichner. Ein englischer Verleger war von seiner zeichnerischen Begabung angetan und schickte ihn als
Illustrator in die Alpen. In der damaligen Zeit, etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wurden die meisten bedeutendsten Berge der Alpen erstmalig bestiegen. Die Zeit wird heute als das goldene Zeitalter des Alpinismus bezeichnet. Durch seine Reisen in die Alpen begann Whymper, sich für das Bergsteigen zu interessieren. Er hatte keinerlei Bergsteigererfarung, verfügte aber über eine ausgezeichnete konditionelle Verfassung. Nebst seinem Ehrgeiz als Erstbesteiger von mehreren Gipfeln in die Geschichtsbücher einzugehen, strebte er mit allen Mitteln eine Aufnahme in den renommierten Alpine Club an. Dort war er nicht Mitglied, weil er nicht zur britischen Oberschicht gehörte. Auch nach mehreren alpinistischen Erfolgen wurde er nicht aufgenommen. Whymper zeichnete sich unter anderem durch seine Verbissenheit und seinen Ehrgeiz aus. Deshalb zählten für ihn ausschliesslich nur Erstbesteigungen. Ein Berg, welcher bereits bezwungen war, interessierte ihn nicht. So kam es zeitweise zu skurrilen Szenen. «Wenn er auf halber Strecke einer Tour auf einen Hinweis von vorherigen Besteigungen stiess, kehrte er um», erklärt der Kurator des Zermatter Matterhorn Museums, Edy Schmid. Exemplarisch für seine Verbissenheit, als Erster auf dem Gipfel zu sein, stehen auch die Ereignisse bei der Erstbesteigung des Matterhorns. An zweiter Stelle der Siebnerseilschaft löst er sich kurz vor dem Gipfel vom Seil, überholt den vor ihm kletternden Michel Croz und stürmt dem Gipfel entgegen. «Ob er dabei das Seil durchschnitten oder die Knoten gelöst hat, ist nicht erwiesen», erklärt Schmid. Es spreche jedoch einiges für das Durchtrennen des Seils. So musste beim Abstieg das Seil mit einem viel dünneren Seil zusammengeknotet werden. Dieses riss dann bekanntlich beim Abstieg. Dabei fanden vier Erstbesteiger den Tod. Das Unglück verbreitete sich in Windeseile um die ganze Welt. Zum damaligen Zeitpunkt wurden alpinistische Ereignisse durch englische Medien verbreitet. «Das nutzte Whymper geschickt aus», sagt Schmid. So wurde vor allem er zum Held hochsterilisiert und gleichzeitig konnte er so eine allfällige Mitschuld am Unglück von sich weisen. Dies zeigte sich auch an der anschliessenden Gerichtsverhandlung, bei welcher es um die Schuldfrage ging. Dort soll sich Whymper arrogant verhalten haben und die Schuld vor allem auf Peter Taugwalder senior geschoben haben, hinter welchem beim Abstieg das Seil mutmasslich riss. Das Seil sei beim Unglück nicht gerissen, sondern durch Taugwalder durchschnitten worden, um sich damit selbst zu retten. Zu einer Verurteilung kam es nicht. Taugwalder litt unter den Anschuldigungen zeitlebens. «Rückblickend gesehen war Whymper für Zermatt trotzdem ein Glücksfall», so Schmid. Wahrscheinlich sei es seinem Drang und seinem unbändigen Willen zu verdanken, dass die Erstbesteigung schliesslich von Zermatt aus erfolgt sei und nicht von Italien aus. Von dort war ebenfalls eine Seilschaft auf dem Weg zum Gipfel. Dennoch, betont Schmid, habe er persönlich als Museumskurator drei Ziele. Whympers Leistung sei nach wie vor anzuerkennen, jedoch müsse diese etwas geschmälert werden. Die Leistung der einheimischen Peter Taugwalder Vater und Sohn müsse zwingend höher gewertet werden. Und schliesslich müssten die damaligen Ereignisse mit den Augen von damals betrachtet werden und nicht aus der heutigen Zeit. Whymper starb 1911 einsam in Chamonix.

Peter Abgottspon

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