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Umstrittenes Französischlehrbuch

Das neue Französisch-Lernprogramm ist nicht auf Alltagssituationen ausgelegt.
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Das neue Französisch-Lernprogramm ist nicht auf Alltagssituationen ausgelegt.
Foto: zvg

Quelle: RZ 0

Das neue Fran­zösisch­­lehrmittel «Mille-Feuilles» wird mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Es beinhaltet einerseits eine interessante Lehrweise, andererseits alltagsfremde Themen.

Wenn man das Lehrbuch durchblättert, sieht man auf den ersten Blick, dass es modern und ansprechend gestaltet ist. Es scheint viele abwechslungsreiche und interaktive Lern­methoden zu geben. Dennoch sind die Meinungen verschieden.

Dafür und dagegen

Claudia Walter, Mutter zweier Kinder, ist nach ersten Erfahrungen mit dem neuen Lehrmittel sehr skeptisch, ob es sich für das Erlernen der Sprache im Alltagsgebrauch eignet. «In den ersten drei Jahren lernen die Kinder kaum etwas, das sie in einem einfachen Gespräch brauchen können. Demzufolge können sie sich auch in Alltagssituationen nicht verständigen.» Walter gibt ein Beispiel: «Aufgrund des Lehrmittels können sie zwar exotische Tiere benennen, kennen aber fast keine einheimischen Tiernamen. Interessante, ansprechende, aber nicht alltagsrelevante Lektionen wie etwa Witze gibt es hingegen oft.» Die Probleme im Alltag sind eindeutig vorhanden. «Meine Tochter war eine Woche in einem Austauschprogramm in Sitten. Die Familie war wirklich bemüht, ihr möglichst viel beizubringen. Aber da bei meiner Tochter keine grundlegenden Kenntnisse vorhanden sind, kann dort auch nicht angesetzt werden.» Dieselbe Erfahrung haben auch andere Eltern gemacht. Claudia Walter findet die Methodik des «Mille-Feuilles» jedoch sehr ansprechend. Mit abwechslungsreichen, spielerischen Lernmethoden könnten sich die Kinder identifizieren.

Unterstützen ist nicht einfach

«Es ist sehr schwierig für mich, einen Lernfortschritt bei meiner Tochter festzustellen. Ich kann sie nicht optimal unterstützen, weil ich oft nicht weiss, woran sie genau arbeitet», so die Grächnerin. Ausserdem seien die Texte sehr kompliziert und vor allem zu lang. «Natürlich gehört es zum neuen Lernschema, die Bedeutung der unbekannten Wörter anhand der schon erlernten im Text zu erkennen. Aber diese Texte sind eindeutig zu lang und anstrengend. Da ich selber schlecht französisch spreche, bin ich teilweise überfordert.» Diese Texte kürzer zu machen, würde schon helfen. Schwächere Schüler hätten grosse Probleme mit dem neuen Lehrmittel. Die Eltern können zu Hause nirgends mit ihrer Hilfe ansetzen. «Weil meine Tochter keinen Erfolg spürt, nahm die Freude an der Sprache schon erschreckend früh stark ab.» Claudia Walter hätte einen Verbesserungsvorschlag: «Mit einfachen Sachen anzufangen, wäre ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Das würde den Kindern eher das Gefühl geben, sich auch in einem fremden Land verständigen zu können.»

Lernen, die Logik anzuwenden

Die Befürworter sehen kein Problem darin, dass die Schüler nicht exakte Wörter und Sätze lernen. Laut Bernhard Fux, Leuker Schuldirektor, ist es erst einmal wichtig, den Kindern die Freude an der Sprache zu geben. «Dafür müssen sie den Sprachfluss mitbekommen, indem sie Gesprächen zuhören. Und durch den Zusammenhang erkennen sie dann meistens auch die Bedeutung von Wörtern, die sie noch nicht kennen.» Dadurch würden viel bleibendere Erfahrungen entstehen. «Früher konnten die Kinder zwar ihre auswendig gelernten Sätze, gaben aber auf, sobald etwas darüber hinaus ging. Konzentrieren sie sich zu stark auf die noch fremden Wörter, lenkt das vom bereits bekannten Wortschatz ab. Mit dem Erkannten aus dem Kontext heraus eine sinnvolle Aussage zu bilden und zugleich die Bedeutung der neuen Begriffe zu entschlüsseln, lernen die Kinder mit dem neuen Lehrmittel.»

Geplante Anpassungen

Gemäss Staatsrat Oskar Freysinger wurde schon gegen das Lehrmittel interveniert, woraufhin dies am Kongress des Regierungsrats in Interlaken angesprochen wurde. «Als erste Massnahme werden strukturierende Zusatzmaterialien für den Aufbau von Wortschatz und Grammatik eingeführt.» Das solle dem bisher stark mündlichen Unterricht Stabilität geben und dennoch die interessante Lehrweise beibehalten. Die Eltern können daran dann auch besser die Fortschritte messen, welche ihre Kinder machen und mit ihnen zusammen regelmässiger (wie früher) Vokabeln lernen. «Zudem soll den Lehrern wieder mehr pädagogische Freiheit gewährleistet werden. Falls sie etwas zum Lehrmittel ergänzen wollen, dürfen sie dies nun tun.» In den kommenden Monaten finde eine weitere Zusammenkunft statt, in der über das weitere Vorgehen mit dem «Mille-Feuilles» entschieden werde.

Sebastian Walter

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