Walliser im Ausland
Désirée Werlen in Salem: «Ich gehöre definitiv ins Wallis»

Désirée Werlen im Voodoo Doughnut Laden in Portland
Foto: zvg
Die 23-jährige Désirée Werlen ist derzeit im Rahmen eines viermonatigen Austausches an der Williamette Universität in Salem, Hauptstadt des US-Bundesstaates Oregon. Im Gespräch mit 1815.ch berichtet die Bürchnerin über ihre Erfahrungen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
1815.ch: Seit wann bis du in Salem und wie lange wirst du bleiben?
Désirée Werlen: Ich studiere seit dem 10. Januar 2013 in Salem an der Williamette Universität Geschichte und bleibe bis am 8. Mai auf dem Campus.
Dann werde ich mir mit einer Kollegin Las Vegas und Los Angeles ansehen. In Boston und New York begleitet mich meine Mutter für zwei Wochen und am 7. Juni fliegen wir zusammen zurück in die Schweiz.
Du bist im Rahmen eines Austausches in den USA. Was für ein Austausch ist das?
Es handelt sich um einen Austausch, der von meiner Universität in Fribourg angeboten wird. Die Organisation, die den Austausch in die USA ermöglicht, nennt sich ISEP (International Student Exchange Program). Je nach Studienfach hat man die Möglichkeit, sich für verschiedene Unis zu bewerben und nach einem sehr langen und administrativen Bewerbungsprozess wird man dann in eine der Unis platziert.
Wieso hast du dich gerade für die USA entschieden?
Da ich Englisch studiere, wollte ich unbedingt in ein englischsprechendes Land gehen. Eigentlich war meine erste Wahl Grossbritannien, weil ich den britischen Akzent bevorzuge. Die Universität in Fribourg hat dort jedoch keine Übereinkommen und ich entschied mich für Amerika.
Wem bist du in Salem zuerst begegnet?
Die ersten Leute, die ich kennenlernte, waren sehr nette und hilfsbereite Flughafenangestellte, die mir halfen, meinen verspäteten Koffer zurückzuverfolgen.
Wie wohnst du?
Ich wohne in den University Apartments (kurz Uaps). Das Gebäude befindet sich auf dem Campus und verfügt über einzelne Studios. Ich teile mein Apartment mit einer anderen Studentin aus Los Angeles.
Es ist eine sehr angenehme Wohnsituation, weil man nicht nur in einem einzigen Zimmer lebt, sondern auch ein eigenes WC/Dusche, Küche und ein kleines Wohnzimmer hat. Nur das Schlafzimmer wird geteilt, aber das ist ein kleiner Kompromiss für ein Apartment.
Konntest du Englisch schon vorher?
Meine Englischkenntnisse waren vorher schon gut, weil ich seit drei Jahren im Nebenfach Englisch studiere.
Welches Wort in der Landessprache brauchst du am meisten?
«Stupid»? Nein, ich denke am meisten werden Wörter wie «of course», «yes», «no», «shit», «yeah», «come on» gebraucht. Jedes Mal wenn wir als internationale Studenten etwas seltsam finden, witzeln wir: «That’s so stupid!»
Was hast du dir vom Aufenthalt in Salem erhofft?
Ich erhoffte mir, meine Englischkenntnisse und den schweizerischen Akzent zu verbessern.
Haben sich diese Erwartungen bis jetzt erfüllt?
Mein Englisch verbesserte sich sehr im Lesen, Verstehen und auch im Reden. An meinem Akzent muss ich trotzdem noch arbeiten, weil ich viel gefragt werde, ob ich aus Deutschland komme. Oft erhalte ich auch Kommentare wie: «I love your foreign accent», was für mich dann nicht wirklich ein Kompliment ist.
Wie ist das Wetter momentan?
Momentan regnet es sehr viel und ich habe mir den Frühling in Salem schöner und wärmer vorgestellt, aber es bleiben mir ja noch einige Wochen im sonnigen Kalifornien, um Sonne zu tanken.
Was unterscheidet die US-Amerikaner von den Wallisern?
Die US-Amerikaner sind netter und zuvorkommender, wenn man vom ersten Eindruck spricht. Man ist sehr willkommen und nach einigen Tagen schon bester Freund mit jedem und weiss viel zu viel über das Privatleben der Leute, die man kurz vorher noch nicht einmal kannte.
Die Walliser sind viel vorsichtiger und es braucht Zeit, um in meiner Heimat anerkannt zu werden. Dieser Unterschied hat Vor- und Nachteile. Ich fand es sehr positiv, so freundlich aufgenommen zu werden und es fiel mir leicht, Freunde zu finden.
Nach einiger Zeit stellt man dann aber doch eine gewisse Oberflächlichkeit fest, weil man sich nicht zu sehr auf die Amerikaner verlassen sollte. Ich wurde einige Male im Stich gelassen, weil man es in den USA nicht so genau nimmt, wie wir es in der Schweiz gewohnt sind. Wahre Freunde, auf die man zählen kann, sind wertvoller.
Welches Bild der Schweiz haben die Amerikaner?
Die Schweiz wird hauptsächlich als ein reiches und neutrales Land beschrieben. Die meisten Amerikaner kennen die Schweiz jedoch zu wenig und urteilen eher zögerlich, was ich positiv finde.
Der Vater meiner Kollegin aus Schweden, der für eine kurze Zeit in der Schweiz gearbeitet hatte, erklärte mir, die Schweizer seien komisch. Wir hätten einen sturen Kopf, alles so zu machen, wie wir es gewohnt sind und man könne nicht mit uns arbeiten.
Was war deine bisher schönste Erfahrung in den USA?
Die schönste Erfahrung war, als ich mit meinen internationalen Freunden nach Süd Oregon zum Crater Lake (Kratersee des Vulkans Mount Mazama) gefahren bin. Es war ein wunderschöner Ausblick und es erinnerte mich an die Schweiz.
Und die schlechteste?
Die schlechteste Erfahrung war wohl, als ich nach dem Spring Break aus San Francisco zurückkahm (zehnstündige Autofahrt) und die Professorin uns am Montagmorgen mit einer Blitzprüfung überraschte.
Weil ich mich in den Ferien von dem ganzen Schulstress erholten wollte, blieb Nelson Mandelas Rede «I am prepared to die» ungelesen und ich konnte die Fragen des Kurztests unmöglich beantworten. Ich habe mich selten so «verarscht» gefühlt wie an diesem Morgen.
Hast du manchmal Heimweh?
Ja, sehr. Am Anfang habe ich die Freiheit und Selbständigkeit sehr genossen, aber die letzten Wochen waren hart für mich. Ich habe eine sehr gute und enge Beziehung zu meinen Eltern und ausserdem wartet Zuhause der tollste Freund auf mich.
Skype, WhatsApp und gelegentliche Postkarten erleichtern die ganze Sache für mich und mit ein wenig Ablenkung geht die Zeit sehr schnell vorbei.
Was vermisst du am meisten aus der Schweiz?
Am meisten vermisse ich unser Sofa Zuhause und das Brot. In Amerika isst man nur Toastbrot und falls es mal ein schönes, gebackenes Brötchen gibt, dann trügt der Schein. Es ist weder frisch, noch knusprig, sondern aufgebacken und weich wie Toast.
Hast du dich verändert, seit du in den USA bist?
Ich habe mich nicht wesentlich verändert, aber ich bin erwachsener und selbständiger geworden. Am meisten habe ich gelernt, die Heimat und all das zu schätzen, was man manchmal als zu selbstverständlich betrachtet. Ausserdem hat mir der Austausch gezeigt, wohin ich gehöre und das ist definitiv das Wallis!
Hast du einen Insider-Tipp für USA- bzw. Oregon-Reisende?
Salem ist ein sehr kleiner und langweiliger Ort, an dem sich nicht viel abspielt. Ich würde aber auf jeden Fall Portland empfehlen (eine Stunde entfernt von Salem). Dort befindet sich der bekannte Voodoo Doughnut Laden mit unendlich verschiedenen Kreationen (Speck, Frootloops, Kaugummi, M&M's…). Die Donuts sind köstlich, aber es braucht ein wenig Geduld, da die Warteschlange ca. 30 Minuten lang ist. Es lohnt sich aber auf alle Fälle!
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