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Wie schlecht steht es um den Oberwalliser Fussball wirklich?

Gibt bei der Footeco U13 die Richtung vor. Trainer Marco Decurtins: «Für die gezielte Junioren	förderung werden wir im Oberwallis schon bald belohnt.»
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Gibt bei der Footeco U13 die Richtung vor. Trainer Marco Decurtins: «Für die gezielte Junioren förderung werden wir im Oberwallis schon bald belohnt.»
Foto: RZ

Abstiegsangst statt Spitzenkampf. Der Oberwalliser Fussball serbelt vor sich hin. Was läuft schief? Die RZ sucht nach Gründen.

Zahlen lügen nicht. Der FC Oberwallis Naters träumte noch im Juni 2014 vom Aufstieg in die 1. Liga Promotion. Erst in den Aufstiegsspielen scheiterten die Oberwalliser an Rapperswil-Jona. Dieser Aufstieg hätte automatisch mehr Förderungsgelder in die Klubkasse gespült. Die Strukturen wären wohl um eine zusätzliche Stufe professioneller geworden. Der Traum platzte, die Hoffnung lebt weiter. Heute – knapp 16 Monate später – ist der FC Oberwallis Naters weit von der 1. Liga Promotion entfernt. Die Mannschaft befindet sich mitten im Abstiegskampf der 1. Liga Classic. Eine Liga tiefer, in der 2. Liga interregional, kickt seit dem Abstieg des FC Raron gar kein Oberwalliser Team mehr mit. In der regionalen 2. Liga sind drei der vier Oberwalliser Klubs in Abstiegsgefahr: Visp, Salgesch und Brig-Glis. Einzig Raron konnte sich auf Platz 7 ein bisschen Luft verschaffen. Steckt der Oberwalliser Fussball in einer Krise? Werden unsere Spieler schlecht ausgebildet? Sind die Trainer die Schuldigen? Wir liefern Gründe für die Misere.

Die fehlende Zusammenarbeit
Im März 2012 wurde die FC Oberwallis Naters AG gegründet. Sämtliche Fussballvereine im Oberwallis (mit Ausnahme des FC Salgesch) haben damals Aktien gezeichnet. Die erste Klatsche für die AG folgte drei Jahre später: Der FC Visp beendete die Zusammenarbeit in der Juniorenförderung, weshalb das Team Oberwallis der Junioren C aufgelöst wurde. In der fehlenden Zusammenarbeit sieht Roger Meich­try, Sportchef des FC Oberwallis Naters, ein grosses Manko: «Es ist sehr schade, dass wir keine Strategie entwickeln können, in der es nur darum geht, den einzelnen Spieler weiterzubringen.» Meich­try ist überzeugt, dass gerade die Oberwalliser 2.-Liga-Klubs sehr von einer engeren Zusammen­arbeit zwischen den einzelnen Teams profitieren würden. Bessert sich das in Zukunft nicht und schaut weiter jeder Verein für sich, dann ahnt Meichtry nichts Gutes für die Weiterentwicklung des Fussballs im Oberwallis. «Langfristig werden wir dann gute 3.-Liga-Mannschaften stellen, aber keine gute in der 2. Liga, das wäre angesichts des Potenzials schade», sagt er. Wie Meichtry ist auch Marco Decurtins, Instruktor beim Walliser Fussballverband und Trainer des Footeco U13-Teams, von einer engeren Zusammenarbeit sämtlicher Vereine überzeugt: «Es geht den Vereinen oft nicht um die Sache, das Problem ist, dass einer mit dem anderen nicht zusammenarbeiten will, deshalb sterben verschiedene Projekte.» Und: «Ohne Zusammenarbeit können wir die 2.-Liga-Klubs langfristig kaum in der Liga halten», sagt er. Peter Passeraub, Trainer vom FC Brig-Glis, appelliert ebenfalls, enger zusammenzuarbeiten: «Ich finde es toll, dass wir einen FC Oberwallis Naters haben, der in einer höheren Liga spielt. Dies sollte für jeden jungen Spieler Anreiz sein, einmal dort aufzulaufen», sagt er. Passeraub ist überzeugt, dass der Oberwalliser Fussball mit der fehlenden Zusammenarbeit vor sehr schwierigen Zeiten steht.

Die fehlende Erfahrung
Auch wenn die Oberwalliser Vereine künftig wieder enger zusammenarbeiten, müssen die Spieler lernen, früher viel Verantwortung zu übernehmen. Während man in den 3.-Liga- und 2.-Liga-Klubs in den 1990er-Jahren noch vermehrt auf Spieler im Alter zwischen 28 bis 34 Jahren stiess, gibt es deren heute kaum mehr in den ersten Mannschaften im Oberwallis. Leo Pichel, Trainer beim FC Raron: «Heute haben Ausbildung und Familie einen höheren Stellenwert, deshalb müssen wir auf die Erfahrung solcher Spieler meist verzichten.» Passeraub seinerseits hatte vor 20 Jahren mehrere Spieler in dieser Altersklasse als Trainer beim FC Steg. Er kennt Gründe für den Wandel: «Diese Spieler waren damals eng mit dem Dorf verbunden und arbeiteten meist auch im Dorf. Das ist heute seltener mehr der Fall. Viele junge Spieler verlassen das Oberwallis, um zu studieren und kehren dann nicht mehr zurück. Andere stellen den Beruf oder die Karriere über den Fussball, das ist wohl der Wandel der Zeit.» Decurtins geht noch einen Schritt weiter und vermutet: «Fussball hat heute möglicherweise einen kleineren Stellenwert als früher.» Auch er weiss jedoch: «Dadurch verlieren wir viele Spieler, wir haben nicht eine derart grosse Auswahl, dass wir das kompensieren können.» Durch diese Entwicklung gehen im ohnehin schon kleinen Einzugsgebiet Oberwallis gleich mehrere talentierte Spieler verloren. Auch solche, die durchaus die Qualität hätten, in der 2. Liga bestehen zu können. Und solche, die Verantwortung tragen könnten, wenn es einmal nicht so gut läuft wie derzeit beim FC Salgesch, FC Brig-Glis oder FC Visp (trotz 7:2 Derbysieg in Salgesch). Mit diesem Wandel müssen sich auch die Unterwalliser Vereine auseinandersetzen, dadurch finden viele Secondos oder Ausländer einen Platz im Team. Pichel: «Gerade bei den Teams aus der Chablais-Region ist diese Entwicklung gut zu beobachten, dort gibt es viele Spieler, die eingebürgert wurden oder keinen Schweizer Pass haben.» Dadurch könnten die Klubs allfällige
Lücken schliessen.

Das breite Angebot
Der Wandel der Zeit lockt nicht nur talentierte Fussballspieler weg vom Terrain, sondern bietet ihnen ein ungleich höheres Angebot. Studierende suchen seit der Fertigstellung der Neat vermehrt die Deutschschweiz auf. Im Oberwallis wächst das Angebot in Sport, Kultur oder Freizeit stets. Wer als Junior in einem Team kickt, übt oft
nebenbei auch ein anderes zeitintensives Hobby aus. Irgendwann folgt dann die Entscheidung. Die breite Angebots­palette hat dadurch schon manch einen vom Fussballfeld gerissen. Passeraub: «Heute ziehen Jugendliche schneller aus dem Wallis als noch vor einigen Jahren.» Ein weiteres Problem aus seiner Sicht ist: «Wir haben grosse Talente, die den Traum vom Profisportler träumen, dann jedoch in der U16 rausfliegen und ohne Klub dastehen. Diese Spieler wären für jeden 2.-Liga-Klub interessant, aber oft schwer zu begeistern, nach dem geplatzten Traum vom Profisportler nun für ihren Stammklub aufzulaufen.» Total schwarzmalen will Passeraub aber für die Zukunft nicht: «Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade bei einem Verein wie dem FC Brig-Glis jährlich 50 bis 70 Leute in der Fussballschule neu starten.» Er schmunzelt und sagt: «Da bleibt auch was für die erste Mannschaft übrig.»

Die Rolle der Trainer
Wenn es ein Spieler in die erste Mannschaft schafft, sind auch die Trainer gefordert. Passeraub, seit Jahren Trainer im Oberwallis, findet klare Worte: «Wir Trainer stehen in der Pflicht, die Leute zu motivieren. Sie müssen auf dem Fussballplatz abschalten können vom Alltag, von privaten Problemen, sie müssen Freude haben am Fussballspielen. Wenn wir das schaffen und in diese Richtung arbeiten können, sind wir auf dem richtigen Weg.» Sowohl Roger Meichtry wie auch Marco Decurtins sind überzeugt, dass die 2.-Liga-Trainer im Oberwallis alle das Potenzial haben, auf diesem Niveau ein Team zu trainieren. Meichtry lobt besonders Rarons Leo Pichel: «Er hat auf dem Papier die schwächste Oberwalliser 2.-Liga-Mannschaft und steht am besten da, das verdient einen grossen Respekt», sagt er. Bei den Junioren sehen die beiden Fussballexperten gar Vorteile in der Oberwalliser Ausbildungsstruktur gegenüber jenen im Unterwallis. Meich­try: «Durch das Footeco-System heben wir uns vom Unterwallis ab, im Französisch sprechenden Wallis gibt es jedoch zahlreiche U-Teams, das ist auch nicht zu unterschätzen.» Decurtins ist fast täglich am Ball mit den besten U13­Junioren aus der Region und ist überzeugt von der Struktur. «Wir haben dadurch seit Jahren wieder Spieler in der U15- und U16-Nationalmannschaft, doch das ganze Projekt braucht noch Zeit.» Denn: Der Jahrgang 1996 war der erste, der von der D-Formation-Ausbildung profitieren konnte. Von diesen Spielern schafften es gleich mehrere zum Stamm beim FC Oberwallis Naters. Einige sind Stammspieler. Deshalb steht für Decurtins fest: «Mit dem Footeco holen wir das Maximum heraus in einer kleinen Region wie dem Oberwallis.» Schenken wir Decurtins Aussage Glauben, so werden sich die Probleme der Oberwalliser 2.-Ligisten von selber lösen. Daran glaubt auch Pichel: «Die Oberwalliser 2.-Ligisten profitieren bereits jetzt von den guten Ausbildungsstrukturen im Oberwalliser Fussball, schon bald werden wir dadurch weiter gestärkt.» Bleibt jedoch die Ist-Situation. Drei von vier Klubs sind in akuter Abstiegsgefahr.

Wo parkieren wir dann die Talente?
Selbst wenn es einer aus dem starken Oberwalliser Trio der 3. Liga (Termen/Ried-Brig, Lalden, Leuk-Susten) schafft aufzusteigen, wäre ein Abstieg gerade der grossen Vereine wie Brig-Glis oder Visp ein Rückschritt für die Entwicklung im Regio-Fussball. Decurtins: «Sie befinden sich alle in Abstiegsgefahr, sollten deren zwei aus der Liga fliegen, erhalten mehrere Oberwalliser Talente keine Spielpraxis mehr auf diesem Niveau.» Dass sich gerade der FC Brig-Glis im freien Fall befindet (die letzten fünf Spiele gingen mit einem Torverhältnis von 2:21 verloren), ist laut Passeraub nicht nur auf eine sport­liche Baisse zurückzuführen. So sehr er die Struktur des FC Oberwallis Naters lobt, so sehr ist sie gleichzeitig auch ein Fluch für seinen FC Brig-Glis. «Wir können nichts konstant aufbauen, denn wir verlieren immer wieder Leute, das ist nicht ganz einfach für einen 2.-Liga-Klub in der Region.» Als Vorwurf an den FC Oberwallis sei dies jedoch in keiner Art und Weise gedacht, betont Passeraub. Neben den regionalen Klubs aus der 2. Liga befindet sich auch der 1.-Ligist im «Niemandsland» der Tabelle. Zwar konnte der FC Oberwallis Naters mehrere einheimische Spieler in die erste Mannschaft einbauen, doch dadurch müssen in der Meisterschaft kleinere Brötchen gebacken werden. Es ist ein Spagat, den der FC Oberwallis Naters auf eine grosse Probe stellt. Einerseits will der Verein laufend eigene Spieler in die erste Mannschaft integrieren und sie dort auch etablieren, andererseits strebt der 1.-Ligist den Aufstieg in die 1. Liga Promotion an. Beide Ziele sind schwer miteinander zu realisieren. Verzichtet man deshalb mittelfristig auf einen Aufstieg zu­gunsten der Förderung einheimischer Talente? Meichtry winkt ab: «Das glaube ich nicht, die Spieler müssen ihren Weg gehen und den nächsten Schritt machen. Unser Ziel bleibt mittelfristig der Aufstieg in die 1. Liga Promotion.» Um diesen konkret anzustreben, brauche man jedoch noch zwei bis drei Jahre. Probleme in der 1. Liga Classic. Probleme in der 2. Liga. Die Liga dazwischen – die 2. Liga interregional – trägt ihre­ Meisterschaft seit dem Abstieg des FC Raron (nach einer Saison mit dem Trainer Martin Schmidt, der auch den Aufstieg realisiert hat, die Red.) ohne Oberwalliser­ Vertreter aus. Dazu gibt es gute Gründe, findet Roger Meichtry: «Die 2. Liga interregional ist eine äusserst unattraktive Liga, in die kaum ein Team aufsteigen will.» Die fehlende Beachtung und eine nötige Budgeterhöhung hindere manchen 2.-Ligisten, in die nächst höchste Liga aufzusteigen, sagt er. Die Zweifel über die 2. Liga interregional gebe es auch bei den Unterwalliser Klubs, so Meichtry.

Simon Kalbermatten

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